Was Ihre Stadt attraktiv macht -Claudia Sachers

Was Ihre Stadt attraktiv macht

Wenn ich einen Städteausflug mache, gehe ich gerne zuerst in das Tourismus-Büro, um mir dort einen Überblick zu verschaffen: „Was sollte ich mir ansehen? Was erwartet mich in dieser Stadt?“ Meistens finde ich dann die immer gleiche Broschüre mit einem kleinen Stadtplan, ein paar Jahreszahlen, zwei, drei interessanten Kirchen, dem einen oder anderen Museum, Ausgehmöglichkeiten. Ein paar Daten und Fakten. Die meisten davon habe ich nach spätestens zwei Tagen vergessen. Und wenn ich dann nach Hause komme: Was soll ich von meiner Reise erzählen? Wer interessiert sich in meinem Bekanntenkreis für diese Daten und Fakten?

Stadtmarketing, aber richtig

Was mir in diesen Broschüren regelmäßig fehlt, sind Antworten auf die Fragen: „Was ist denn die Geschichte hinter dieser Kirche? Wer waren die Menschen, die dieses Museum ins Leben gerufen haben? Was macht dieses Gebäude, diese Kirche, dieses Museum anders als die Sehenswürdigkeiten in einer anderen Stadt?“

Mein Eindruck ist: Viele Städte machen sich nicht auf die Suche nach der Geschichte ihres Ortes. Oder sie glauben sogar, sie hätten touristisch nichts wirklich Spannendes zu bieten. Sie haben vielleicht nicht den gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern, die romantische Straßenzeile mit lauter Fachwerkhäusern. Aber ich bin überzeugt: In jeder Stadt, in jeder Gemeinde gibt es spannende Geschichten, gab und gibt es Persönlichkeiten, die den Charakter des Orts geprägt haben. Ich bin sicher: Jede Stadt hat etwas zu erzählen, was über Zahlen und Fakten hinausgeht. Und es sind diese Erzählungen, die ich mir als Besucher merke.

Mir zumindest geht es dabei so wie beim Betrachten eines Gemäldes: Wenn ich die Geschichte dahinter kenne, wenn ich weiß, unter welchen Umständen, in welchem Umfeld der Künstler gelebt hat, als er es malte, wird das Bild für mich lebendiger, bekommt Charakter, wird unverwechselbar.

Es sind die Geschichten hinter den Zahlen und Fakten

Ich habe einmal in Weimar eine Stadtführung zum Thema Bauhaus mitgemacht. In der ging es nicht in erster Linie um Zahlen und Daten, sondern zum Beispiel darum, wie entsetzt die Leute damals waren über die ihrer Meinung nach völlig „entarteten“ Sachen, die dort gemacht wurden; darum, wie schwierig es Frauen hatten, beim Bauhaus Anerkennung zu finden; darum, wie es dazu kam, dass es in Weimar geschlossen wurde und nach Dessau umzog. Und alles eben am Beispiel konkreter Menschen und ihrer persönlichen Geschichten. Mich haben diese Geschichten weit mehr gepackt als der Gang durchs Goethehaus.

Ich bin überzeugt, indem sie diese Geschichten finden und erzählen, könnten sich viele Städte und Gemeinden interessanter machen. Nicht nur für Touristen, sondern zum Beispiel auch für Menschen, die überlegen, hierhinzuziehen, oder für Menschen, die schon an diesem Ort leben. Für Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen.

Dazu sollten Sie als Bürgermeister oder als Stadtmarketing herausfinden: „Wer sind denn bei uns die Persönlichkeiten, die diese Geschichten kennen? Was macht denn den Charakter unseres Orts aus?“

Jeder Ort hat so etwas zu bieten, da bin ich sicher. Sie müssen sich nur auf die Spurensuche begeben.

Ihre

Claudia Sachers